1. Beurteilung der Gesundheit
Zunächst überprüft der Tierarzt die Gesundheit des vorgestellten Tieres. Bei eindeutigen genetischen Mängeln oder vorher festgelegten sehr groben Fehlern muss er ein Tier schon hier aus dem Herdbuch ausschließen.
Dazu gehören schwere Fehlstellungen der Beine über 15° in der Senkrechten oder über 45° in der Achsenstellung, Wirbelsäulenveränderungen wie ein Knick oder deutlicher Bogen im Schwanz, extremer Rück- oder Vorbiss, die Fruchtbarkeit wesentlich beeinträchtigende Veränderungen wie zu kleine Hoden (unter 3cm Länge) oder eine Unterzahl der Zitzen.
Ein solches auszuschließendes Alpaka kann allerdings weiter an den folgenden Untersuchungen teilnehmen, so dass die übrigen Beurteilungsergebnisse noch erfasst werden. Warum?
Ein Beispiel: ein Tier muss wegen eines Knickes im Schwanz, einer schweren Beinfehlstellung oder grenzwertig kleiner Hoden aus dem Herdbuch ausgeschlossen werden. Wenn ein solches Tier aber im übrigen Körperbau, Bewollungsmerkmalen und Faserwerten gut ist, kann der Besitzer an Hand der erhaltenen Punktzahl dennoch entscheiden, ob er dieses Tier nicht dennoch zur Zucht einsetzen will. Die erreichte Punktzahl ist gerade in solchen Fällen dem Besitzer eine entscheidende Stütze zur weiteren Zuchtnutzung.
Der vom Tierarzt erfasste Untersuchungsbefund wird schriftlich festgehalten Tierarzt-Beurteilungsbogen.
Für ein gesundes Tier werden hier maximal 25 Punkte vergeben, es kann Abzüge geben, wenn z.B. ein Alpaka auffallend klein oder leicht ist (grobes Unter- oder Übergewicht können zum Ausschluss führen).
2. Beurteilung von Körperbau und Bewollung
Nach der tierärztlichen Untersuchung wird das Alpaka zwei unabhängig voneinander urteilenden international anerkannten Richtern (so fest gelegt, damit möglichst große Objektivität gegeben ist) vorgestellt, die eine Beurteilung des Körperbaus und der Bewollung vornehmen.
Für die einzelnen Körperteile werden je nach Qualität von jedem Richter Punkte vergeben. Vergeben beide Richter in einem Kriterium unterschiedliche Punktzahlen, wird der Mittelwert gebildet und gewertet.
Die Ergebnisse werden eingetragen in das Dokument Bewertungstabellen für den Phänotyp.
Diese Tabellen können aber auch jedem Alpakabesitzer als Hilfestellung dienen, sein eigenes Tier zu bewerten oder ein Alpaka, das er zu kaufen beabsichtigt, besser abzuschätzen. Zu diesem Zweck können sie hier gerne heruntergeladen oder ausgedruckt werden.
In der Gesamtbeurteilung des Phänotyps eines Alpakas macht dieser Teil etwa 50% der zu erhaltenden Punkte aus.
3. Beurteilung der Faser
Die Beurteilung der Faser spielt naturgemäß beim Fasertier Alpaka eine große Rolle. Deshalb wird hier große Sorgfalt angewandt und auf genaue UntersuchungenWert gelegt.
Weil wir uns ein Alpaka wünschen, das möglichst über das gesamte Tier eine gleichmäßig gute Faser aufweist, wird die Faser auch an drei Körperstellen untersucht.
Hierzu werden in Anwesenheit der Richter an drei exakt definierten Körperstellen Faserproben genommen:
Von der Mitte des Schulterblattes, der Mitte des Blankets und in Höhe des Kniegelenkes jeweils 10-15 cm unterhalb der Rückenmittellinie.
Sollte aus saisonbedingten Gründen die Notwendigkeit bestehen, ein Alpaka vor der Untersuchung zu scheren, sind an den bezeichneten Stellen jeweils Flächen von ca. 10 x 10 cm auszusparen und hier die Faser zu belassen.
Diese drei Faserproben werden getrennt voneinander eingeschickt in ein nach I.W.T.O -Standard anerkanntes Labor, das untere strengen Standardbedingungen kontrolliert wird. So wird die Faser hier z.B. vor der Untersuchung unter vorgeschriebenen, immer gleichen Lufttemperatur und -feuchtigkeitsbedingungen gelagert, ehe sie untersucht wird. Dadurch sind die Ergebnisse immer und auch nach Jahren vergleichbar.
Hier wird die Faser nach der Minicore-Methode untersucht. Die Minicore-Methode ist in Australien das fast ausschließlich verwendete Untersuchungsverfahren, weil sie die Faserwerte nicht nur an der Schnittstelle, also nah am Tier ermittelt (dieser Wert ist durch Veränderungen der Ernährung in den letzten wenigen Wochen vor einer Faserentnahme leicht zu manipulieren!), sondern:
über die gesamte Länge der Faser werden alle 5 mm alle Kriterien, also Micron, SD, Anteil über 30Micron und Curvature, gemessen. Diese Werte werden dann zu je einem Wert gemittelt, der die Faser über einen Zeitraum von 3-12 Monaten darstellt. Damit werden auch Ernährungsschwankungen ausgeglichen und der wirkliche Wert der Faser eines Tieres kann beurteilt werden.
„Auswüchse“ zur Manipulation der Faser lohnen sich also nun nicht mehr.
Aus den 3 gewonnenen Proben wird das schlechteste Ergebnis verworfen, die Ergebnisse der beiden anderen Proben werden gemittelt.
Dieses von der Alpaca Association erstmals in Europa vorgestellte Verfahren kann den Zuchtwert eines Alpakas im Faserbereich wesentlich zuverlässiger und umfassender beurteilen als die andernorts üblichen Untersuchungsverfahren. Es ist außerdem sicherer und ehrlicher.
Um die in Europa unter sehr guten Ernährungsbedingungen aufgewachsenen Tiere nicht zu benachteiligen gegenüber gerade aus z.B. Südamerika importierten, müssen Alpakas zum Zeitpunkt der Herdbuchuntersuchung mindestens 6 Monate lang in dem Land gelebt haben, in dem die Untersuchung stattfindet.
A. Die Berechnung der Punktzahl aus den objektiven Faserwerten
Die Bewertung der Faserergebnisse ist nun komplizierter, weil erstmals weltweit nicht nur die Rasse (Huacaya oder Suri), sondern auch die Farbe (weiß und light fawn gegenüber allen anderen, dunkleren Farben) und das Alter der Tiere berücksichtige werden.
So können endlich auch ältere Tiere noch an einer Beurteilung teilnehmen und werden nicht durch die naturgemäß dickere Faser hoffnungslos benachteiligt.
Es ist außerdem bekannt, dass weltweit die Mehrzahl der dunklen bzw. grauen Tiere in der Faserqualität noch nicht mit den hellen Tieren konkurrieren kann.
Es wurde ja viele Jahrzehnte nur bei den weißen Alpakas konsequent gezüchtet, farbige Alpakas galten als unerwünscht.
Nun kann man diesen dunkleren Tieren gerecht werden.
Für die Festlegung der Punktwerte und Zuordnung der Punkte zu den Messwerten kamen uns neueste, umfangreiche Studien aus Australien an tausenden von Alpakas aus den unterschiedlichsten Landstrichen und Ernährungsbedingungen zu Gute, deren Auswertungen uns dankenswerterweise u.a. von Dr. Bruce McGregor zur Verfügung gestellt wurden.
Wie sich gezeigt hat, sind diese Ergebnisse der australischen Faserstudien gut auf unsere europäischen Alpakas zu übertragen.
So werden nun für ein weißes Alpaka von 2 Jahren und 6 Monaten 90 Punkte bei 24 Micron vergeben, feinere Tiere bekommen mehr als 90 Punkte, weniger feine auch weniger Punkte.
Die Zunahme der Faserdicke ist mit zunehmenden Alter nicht linear, sondern folgt einer angedeutet logarithmischen Kurve, sie verdickt sich also mit zunehmendem Alter immer langsamer. Ab dem 8. Lebensjahr kommt es zu keiner nennenswerten Steigerung der Micronzahl mehr. Dies wurde in der Berechnung der Punktzahlen berücksichtigt.
Bei gleichem Alter liegen die Faserwerte der farbigen Alpakas höher, so dass bei gleichem Faserdurchmesser 10 Punkte mehr vergeben werden als bei dem weißen Alpaka.
Die Grundlagen der Faserbewertung (z.B. Beschreibungen der Bedeutung von SD, CV u.a. sowie Musterberechnungen) werden in separaten Beiträgen erläutert.
B. Die Beurteilung der subjektiven Faserkriterien Crimp, Glanz, Handle und Lockenstruktur
Crimp:
Was ist Crimp?
Crimp stellt die Wellung der Faser in ihrem Verlauf dar. Eine Welle ist definiert durch die Höhe der Amplitude (Ausschlaghöhe der Welle) und die Frequenz (Häufigkeit der Wellen in einem definierten Streckenabschnitt).
Es hat sich gezeigt, dass die Beurteilung des Crimps sehr schwierig ist, außerdem in den unterschiedlichen Kontinenten unterschiedlich bewertet wird.
Entgegen unserem ursprünglichen Plan werden die Richter vorerst die Qualität des Crimps nur subjektiv nach dem Ausmaß seiner Ausprägung bewerten und in 3 Kategorien einteilen.
Werden zu einem späteren Zeitpunkt sichere Kriterien zur Bedeutung des Crimps für die weitere Verarbeitung und Nutzung der Faser etabliert, werden wir diese in unser Bewertungssystem natürlich einfließen lassen.
Auch die Gleichmäßigkeit des Crimps wird optisch festgestellt.
Handle, Glanz und Lockenstruktur:
Sicherlich ist die Beurteilung des Handles, des Glanzes und beim Suri der Lockenstruktur immer in gewissem Umfang eine subjektive Entscheidung des Richters.
Dies ist einer der Gründe, warum sich die Alpaca Association entschlossen hat, mindestens zwei Richter zur Beurteilung eines Alpakas heranzuziehen, die außerdem eine international renommierte Anerkennung nach entsprechend qualifizierter Ausbildung besitzen. Unterschiedliche individuelle Bewertungsmaßstäbe, wie sie naturgemäß vorhanden sind, werden so ausgeglichen.
Es ist weiterhin ein Grund, warum die gesamte Beurteilung öffentlich stattfindet (wie z.B. die Körung bei anderen Tierarten) und das Ergebnis offen dargelegt wird.
So muss sich ein Richter auch der eventuellen Kritik an seinen Entscheidungen stellen und sieht sich angehalten, so gründlich wie möglich zu arbeiten.
Für Handle, Glanz und Lockenstruktur gibt es wieder die grobe Unterteilung in 3 Qualitätsstufen, die mit unterschiedlicher Punktzahl benotet werden.
Die Ergebnisse dieser Bewertungen werden in der Tabelle subjektive Faserbewertung festgehalten.
Das Beurteilungssystem der AAeV – führend, objektiv und transparent
Die Alpaca Association e.V. setzt mit diesem gleich nach ihrer Gründung eingeführten neuartigen Bewertungssystem internationale Maßstäbe.
Bisher wurden über 3000 Alpakas in Herdbuchscreening-Veranstaltungen nach diesen Maßstäben beurteilt.
Dennoch sind wir auch sicher, dass dieses System in den nächsten Jahren immer weitere Verbesserungen erfahren wird, die wir als innovativ ausgerichteter Verein gerne einführen werden. Wir sind jederzeit offen für Vorschläge, die uns helfen, dieses System weiter zu entwickeln.
Ganz besonders freuen wir uns über die bereits vorhandene positive Resonanz aus vielen anderen Züchterregionen weltweit. Wir fühlen uns bestätigt, wenn wir sehen, dass andere Vereine dieses oder ähnliche Systeme überlegen oder sogar einführen.